Ali lebt mit seiner Freundin und dem gemeinsamen sieben Monate alten Sohn mitten in Oslo. Die Wohnung liegt in einem Altbau mit großzügigem Treppenhaus – so weitläufig, dass man unweigerlich stehen bleibt. So eine Eingangszone gibt’s in keinem Neubau mehr – dafür sind Grundrisse heute zu knapp kalkuliert. Hier entsteht Raum für Begegnungen, für ein kurzes Gespräch mit den Nachbarn. Sogar eine kleine Selbstbedienungsbibliothek hat ihren Platz gefunden.
Ali Gallefoss
Ali Gallefoss lässt sich von Materialien und Ideen treiben – mit gelassener Selbstverständlichkeit. Trends interessieren ihn nicht. Wiederholungen auch nicht. Stattdessen folgt er seinem eigenen Rhythmus – einem kreativen Prozess, der sich bewegt, anstatt anzukommen. Kontraste sind willkommen. Kontrolle? Wird mit Leichtigkeit losgelassen.
PHOTOS BY JOHANNE NYBORG
Drinnen erwartet dich ein offenes Wohnzimmer, ein großes Schlafzimmer, dazu eine eher kompakte Küche und ein kleines Bad. Das Wohnzimmer strahlt in warmem Gelb, an den Wänden hängen Alis eigene Werke und Kunst von befreundeten Künstlern, mit denen er getauscht hat. Der massive Teppich auf dem Kiefernholzboden füllt den Raum – ein Fundstück von einer Auktion bei Bukowski’s, für das sie bis nach Stockholm gefahren sind. Darauf: ein klassisches Ledersofa und Gravity in selbstbewusstem Grün. Keine halben Sachen.
Dass Ali Gallefoss einmal als Designer und Künstler arbeiten würde, war alles andere als vorhersehbar. Er jobbte im High-Fashion-Store Vincci in Bergen, als ihm eine Kollegin vorschlug, sich an der Kunsthochschule zu bewerben. Im Einzelhandel hatte Ali für sich bereits erreicht, was er sich vorgenommen hatte – doch innerlich zog es ihn weiter. Etwas Kreatives musste her. Auch wenn er noch nicht genau wusste, was das eigentlich sein sollte. Wenig später tauchte er in eine völlig neue Welt ein: die Kunst- und Designhochschule in Bergen.
„Für mich fing alles in der Werkstatt an“, erzählt er. „Da konnte ich mit Materialien experimentieren – vor allem mit Ton. Das war perfekt, weil ich allein arbeiten konnte, ohne dass jemand da sein musste. Ich konnte mich stundenlang darin verlieren.“ Je tiefer er in die Materie eintauchte, desto weiter entfernte er sich vom klassischen Design – und hin zu freieren, künstlerischen Ausdrucksformen. Seine Dozenten waren oft überrascht von seinen eher unkonventionellen Projekten. „Ich habe Kunst aus der Designperspektive studiert, also musste alles einen gewissen Zweck erfüllen“, sagt Ali. „Aber hätte ich diesen Design-Hintergrund nicht gehabt, wäre wahrscheinlich etwas komplett Skulpturales daraus geworden.“
„Als Künstler ist das Klügste, was du tun kannst, einfach nichts zu verkaufen. Nur so behältst du die volle Kontrolle.“
Als Ali sein Masterstudium an der Kunstakademie in Oslo begann, wurde seine Arbeit zunehmend wahrgenommen. Dort stand er vor der Wahl: Innenarchitektur oder Möbeldesign? Er entschied sich für Letzteres – eine Entscheidung, die seine berufliche Richtung maßgeblich prägte.
„Das Spannende an dem Feld ist, dass du mit Innenarchitektur eigentlich immer einen Job findest“, sagt er. „Es ist gut bezahlt – nicht unbedingt leicht, aber wenn der Markt stabil ist, kommst du unter. Als Möbeldesigner hingegen … selbst die richtig Guten, die sich einen Namen gemacht haben – das ist trotzdem nur ein kleiner Kreis im internationalen Vergleich. Man kann davon leben, klar. Aber sich wirklich zu etablieren, bedeutet wahnsinnig viel Arbeit.“
Und genau da stellt sich vielen die Frage: Wähle ich den sicheren Weg – oder wage ich den Sprung ins Ungewisse als freier Designer?
„Für mich ist das Ideal, einfach dem zu folgen, was mich in dem Moment wirklich anzieht. Und ich weiß, was für ein Privileg das ist.“
Für Ali war die Entscheidung klar – es zog ihn in die Kunstwelt. „Daher kommen meine Interessen, meine Referenzen. Mich inspiriert Architektur, Natur, Infrastruktur … manchmal ganz unbewusst, eher als Eindrücke, die sich über Zeit angesammelt haben. Und genau diese Eindrücke sind oft der Ausgangspunkt für meine Arbeit mit Materialien.“
Ali beschreibt sich selbst als materialbasierten Künstler – ohne sich auf ein bestimmtes Medium festzulegen. „Ich arbeite mit allem Möglichen: Metall, Keramik – und bin ständig auf der Suche nach neuen Möglichkeiten.“
Heute zählt Ali Gallefoss zu den spannendsten neuen Stimmen der norwegischen Kunst- und Designszene. Internationale Ausstellungen, mehrere Auszeichnungen – darunter Bo Bedres Designpreis als Best Newcomer und International Achievement of the Year. Doch trotz des Erfolgs lässt sich Ali nicht vereinnahmen. „Es ist leicht, sich vom eigenen Momentum mitreißen zu lassen“, sagt er. „Man denkt: Das läuft gut, also mach ich weiter so. Aber genau das ist nicht meine Motivation.” „Für mich ist das Ideal, dem zu folgen, was mich wirklich interessiert – genau dann, wenn ich es spüre. Und ich weiß, dass das ein großes Privileg ist.“
Ali kennt den Druck, den kommerzieller Erfolg mit sich bringt – und bleibt trotzdem seiner künstlerischen Haltung treu. „Das Klügste, was du als Künstler tun kannst, ist, nichts zu verkaufen – so behältst du die volle Kontrolle.“ Einige Arbeiten aus der Vergangenheit hatten mehr Produktcharakter, erzählt er. „Damals hat das für mich Sinn ergeben – aber heute würde ich solche Stücke nicht mehr machen.“
„Wenn ich strategisch denken würde, würde ich einfach wiederholen, was funktioniert. Aber so arbeite ich nicht.“
Manchmal schwebt eine leise Frage in seinem Hinterkopf: Warum kaufen Menschen eigentlich Kunst? „Ist es, weil sie wirklich eine Verbindung dazu spüren – oder sehen sie Kunst eher als Investition?”
„In Norwegen wirkt es oft so, als würde Kunstkauf eher wie der Kauf einer Wohnung behandelt: als Anlage, etwas, das im Wert steigen soll. Sobald etwas ungewöhnlich oder fremd wirkt, zögern viele. Wenn sie sich nicht vorstellen können, es später wieder zu verkaufen, verliert das Stück plötzlich seinen Reiz. Aber das ist okay, damit habe ich meinen Frieden gemacht. Wenn die Zeit reif ist, finden die richtigen Menschen ihren Weg zu meiner Arbeit.“
Ali lässt sich nicht von Trends treiben. „Wäre ich strategisch unterwegs, würde ich einfach wiederholen, was funktioniert – vielleicht die Farbe ändern, aber die gleiche Formsprache behalten. So fällt es den Leuten leichter, eine Verbindung zu etwas herzustellen, das sie öfter sehen. Wenn ich 100 Skulpturen mache, zahlen Menschen eher dafür, weil es sich wie etwas Gemeinsames anfühlt. Sie können sagen: ‚Ich hab auch so eins.‘Bei einem Einzelstück ist das anders, da fehlt die Verbindung zwischen den Leuten. Aber genau so arbeite ich nicht.“ Seine Arbeit lebt vom Kontrast, weg von der vertrauten „Sanftheit“ skandinavischen Designs. „Alles ist beige und ruhig – aber wenn man zu lange hinschaut, wird’s langweilig. Die Leute wollen dazwischen auch mal eine Pause, mit Farbe und Reibung.“
Ali’s approach isn’t about following trends. “If I were thinking strategically, I’d just repeat what works, maybe change the color, but keep the same visual language. It’s easier for people to connect with something they see repeatedly. If I make 100 sculptures, people are more willing to pay because it feels like a shared thing. They can say, “I’ve got one of those too.” Whereas if it’s just a single piece, it’s rarer—there’s no built-in connection between people. But that’s not how I work.” His work thrives on contrast, moving away from the familiar “softness” of Scandinavian design. “Everything’s beige and calm, but it can get boring if you look at it too long. People will want a break from that, with some color and friction.”